Bericht aus der NZZ vom 28.03.2021, Christina Neuhaus
Ueli Maurer sorgt sich um die Meinungsfreiheit in der Schweiz: «Ich komme mir manchmal vor, wie wenn ich Mitglied einer Sekte wäre. Kritiker werden sofort zu Leugnern und Ungläubigen»
Eigentlich wollte Finanzdirektor Ueli Maurer an der Delegiertenversammlung der SVP von Samstag über die wirtschaftlichen Folgen von Corona reden. Es wurde eine Rede über den Zusammenhalt im Land, die Meinungsfreiheit und den Fürsorgestaat.
Rund 15 Milliarden Franken gab der Bund letztes Jahr für die Bekämpfung der Pandemie aus. Für 2021 hat er bis jetzt zusätzliche 23 Milliarden Franken bewilligt. Dazu kommen die Aufwendungen der Kantone, Bürgschaftsverluste und Budgetnachträge. Per Ende 2021 schlägt das mit 50 Milliarden Franken zu Buche.
Die Zahlen, die Finanzdirektor Ueli Maurer an der Delegiertenversammlung der SVP vom Samstag präsentiert hat, waren eindrücklich: Allein die Folgen des derzeitigen Teil-Lockdowns belaufen sich auf 750 Millionen Franken pro Woche. Das sind über 100 Millionen Franken pro Tag. Berücksichtigt man auch die zusätzlichen Schulden aus dem ALV-Fonds (5 Milliarden) und Mindererträge durch sinkende Steuereinnahmen, summieren sich die Kosten für die Pandemie am Ende dieses Jahres auf 60 bis 70 Milliarden Franken. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie seien langwieriger als die gesundheitlichen, sagte Maurer, der davon ausgeht, dass der Bundesrat bei seiner vorsichtigen Politik bleibt und ein Normalbetrieb noch lange nicht möglich ist. Das Gesundheitswesen habe im Umgang mit dem Virus Fortschritte gemacht. Man werde zwar noch lange mit ihm leben müssen, doch die Situation stabilisiere sich allmählich.
Sorgen bereiten Maurer, der sich per Videoübertragung aus dem Finanzdepartement zuschaltete, vor allem die gesellschaftlichen Konsequenzen der Pandemiepolitik. Nicht alle Menschen ertrügen es, eingeschlossen zu sein und kaum Kontakte zu haben, sagte er. Viele plage auch die Angst vor Konkursen und vor einem Jobverlust. Diese Folgen der Pandemiebekämpfung habe man lange zu wenig beachtet. Er sei weder ein Eiferer noch ein Verschwörungstheoretiker, sagte Maurer, auch wenn er sich immer wieder kritisch äussere. Doch Kritik sei in diesem Land immer weniger gefragt. Im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern bekomme er immer öfter denselben Satz zu hören: «Me törfs efang nüme luut säge.» Kritisches Hinterfragen von Mehrheitsmeinungen sei offenbar unerwünscht. Das habe er bei der von Greta Thunberg geprägten Klimapolitik bereits beobachtet und stelle jetzt dieselben Tendenzen bei Corona fest. Die Welt, sagt Ueli Maurer, bewege sich von Hype zu Hype. Das sei Gift für das Zusammenleben und verändere unsere Vorstellung dessen, was der freiheitliche Staat leisten solle.