Interpellation Nr. 49 von Daniel Albietz

Interpellation Nr. 49 (April 2021) betreffend Perspektiven und Planungssicherheit für die vom Corona-Lockdown betroffenen Betriebe (PDF Dokument)

Seit nunmehr über einem Jahr sind das öffentliche Leben und die Wirtschaft sowie unsere Grund- und Freiheitsrechte wegen der Coronapandemie – mit zwischenzeitlichen Lockerungen und erneuten Verschärfungen – teilweise drastisch eingeschränkt oder gar aufgehoben. Dass einem neuartigen Virus im Frühjahr 2020 zunächst mit Vorsicht und einschneidenden Massnahmen begegnet wurde, leuchtet jedem ein. Jedoch darf erwartet werden, dass die getroffenen Massnahmen laufend auf ihre Wirksamkeit und Verhältnismässigkeit überprüft und neuen Erkenntnissen angepasst werden. Festzustellen ist jedoch, dass gerade der Abschied von den Massnahmen und die Rückversetzung von Gesellschaft und Wirtschaft in einen tragbaren «Normalzustand» einigermassen schwer fällt.

Mit Anpassung der «Covid-19-Verordnung besondere Lage» vom 22. Dezember 2020 wurde durch den Bundesrat Betrieb von Restaurations-, Bar- und Clubbetrieben sowie von Diskotheken und Tanzlokalen verboten. Restaurationsbetriebe wurden im Kanton bereits einen Monat früher – am 24. November 2020 – für das Publikum geschlossen. Die von den behördlichen Schliessungen betroffenen Betriebe haben seither – nunmehr seit Monaten – weder Planungssicherheit noch eine Zukunftsperspektive. Dadurch ist aktuell allein in unserem Kanton eine grosse Zahl von Betrieben und Arbeitsplätzen existenziell gefährdet, was die physische und psychische Gesundheit vieler zusätzlicher Menschen beeinträchtigt.

Die Welt ist seit dem ersten Auftreten des Virus nicht stillgestanden, die Datenlage hat sich deutlich verbessert und die Erkenntnisse über den Erreger und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft haben zugenommen. Gemäss der neuesten Studie1 von Prof. John P. A. Ioannidis (Stanford University, ein renommierter Epidemiologe und schon vor der Pandemie einer der 10 meistzitierten Wissenschaftler der Welt) von Ende März beläuft sich die IFR (infection fatality rate = Infektionssterblichkeit) von Covid-19 im weltweiten Durchschnitt auf 0.15% (für unter 70-Jährige ist sie nochmals erheblich tiefer). Bei rund 80% der Bevölkerung verläuft die Infektion ohne jegliche Symptome. Der Altersmedian der an oder mit Covid-19 Verstorbenen (auch bei der Ermittlung der eigentlich Todesursache ist die medizinische Wissenschaft aktuell nicht konsequent) beträgt in der Schweiz rund 86 Jahre. Statt vulnerable Personen zu schützen, werden aber ganze Wirtschaftszweige und Freizeitangebote stillgelegt.

Dabei hat das Team von Prof. Ioannidis unlängst auch die Wirksamkeit von Lockdowns untersucht und ist – wie auch Spezialisten der WHO und andere Experten – in einer weiteren überprüften Studie2 zum Schluss gekommen, dass Lockdowns (v. a. Ausgangssperren und Betriebsschliessungen) kein taugliches Mittel zur Bekämpfung der Pandemie seien und auch bei der älteren Bevölkerung mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften würden. Prof. Ioannidis hat diese Ansicht unlängst in einem Interview mit der «Welt am Sonntag» bestätigt.3 17 amerikanische Bundesstaaten verzichten aufgrund solcher Erkenntnisse mittlerweile auf Lockdowns und Maskenpflicht, ohne dass dies höhere Fallzahlen oder schwerere Verläufe zur Folge hätte. Auch die Erfahrungen von Schweden, Japan und einzelnen anderen Staaten ohne erheblich einschränkende Massnahmen legen denselben Schluss nahe.

Nicht nur aufgrund solcher Tatsachen hat sich die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) laut Medien am 19. März 2021 über die damaligen als zu zögerlich empfundenen Öffnungsschritte des Bundesrates enttäuscht gezeigt, nachdem sich die Kantone vorab klar für eine von Schutzmassnahmen begleitete Rückkehr Richtung Normalzustand und sogar einstimmig für eine sofortige Öffnung wenigstens der Restaurantterrassen ausgesprochen hatten. Etwas später liess sich der baselstädtische Gesundheitsdirektor zudem dahingehend zitieren, dass Veranstaltungen ab April wieder möglich sein sollten und dass auch höhere Fallzahlen nicht so stark bewertet werden sollten wie bisher (wenn ja mehr getestet wird).

Schliesslich war einer Medienmitteilung des JSD unlängst zu entnehmen, dass im Kanton Basel-Stadt die Prostitution ab dem 1. April 2021 «unter Auflagen» wieder erlaubt werde (mutmasslich mit Abstand und Maskenpflicht?), während Restaurationsbetriebe und Wellnesseinrichtungen weiterhin geschlossen bleiben. Begründet wurde dies damit, dass die Situation für dieses Gewerbe «prekär» sei.

Im Lichte dieser Ausgangslage erlaube ich mir, dem Regierungsrat die folgenden Fragen zu unterbreiten:

  1. Als wie schwerwiegend erachtet der Regierungsrat die wirtschaftliche Lage für die seit Monaten von einer Schliessung betroffenen Betriebe, insbesondere der Gastrounternehmen?
  2. Welche Möglichkeiten sieht der Regierungsrat, beim Bundesrat auf Planungssicherheit für die geschlossenen Betriebe und eine zeitnahe Öffnung hinzuwirken? Nimmt er diese Möglichkeiten wahr? Falls ja, auf welche Weise und wie mit wie viel Nachdruck?
  3. Teilt der Regierungsrat die Ansicht, dass der Kanton oder der Bund für Massnahmen, die private Unternehmer wirtschaftlich in Schieflage bringen oder gar in den Konkurs treiben, im Sinne einer Staatshaftung voll entschädigungspflichtig ist? Falls nein, weshalb nicht?
  4. Weshalb sind die sog. Coronahilfen des Kantons (Geldzahlungen bei Härtefällen) so tief angesetzt, dass sie – nebst den Kurzarbeitsentschädigungen – nur einen Bruchteil des Schadens decken, der den Unternehmern und Selbständigen durch das Betriebsverbot entsteht, und in vielen Fällen die Insolvenz dennoch nicht abwenden kann, insbesondere bei Restaurants?
  5. Wie viele Betriebe haben seit Beginn der Massnahmen Kurzarbeitsentschädigungen beantragt und gesamthaft in welcher Höhe? Wie viele Arbeitnehmende sind von Kurzarbeit betroffen?
  6. Wie viele Geschäftsbetriebe sind seit April 2020 bis heute pro Quartal Konkurs gegangen oder durch die Betreiberschaft eingestellt worden (jeweils im Vergleich zu den Zahlen von 2019)? Wie sehen diese Zahlen spezifisch bei Gastrobetrieben aus? Ist bei den Betriebsschliessungen und Konkursen ab April 2020 ein Zusammenhang mit dem behördlichen Betriebsverbot ersichtlich resp. kann ein solcher Zusammenhang ausgeschlossen werden?
  7. Welche Überlegungen haben den Regierungsrat beim Entscheid geleitet, die Prostitution ab 1. April wieder zu erlauben? Erachtet er bspw. die Situation des Gastgewerbes oder anderer von Schliessungen betroffenen Branchen als weniger prekär? Teilt der Regierungsrat die Ansicht, dass solche Entscheide von der Allgemeinheit nur schwer verstanden und teilweise als willkürlich und wenig konsistent empfunden werden und der allgemeinen Akzeptanz der Massnahmen in der breiten Bevölkerung nicht dienlich sind?
  8. Wird der Regierungsrat bei der Festlegung der Pandemiebekämpfungsstrategie von Expertinnen und Experten beraten? Falls ja, aus wie vielen Personen welcher Fachgebiete ist das Beratungsteam zusammengesetzt? Erachtet es der Regierungsrat als wichtig, keinen einseitig epidemiologischen Fokus zu haben, sondern sich bei der Pandemiebekämpfung multidisziplinär und auch von Wirtschaftsfachleuten beraten zu lassen? Falls nein, weshalb nicht?
  9. Kann der Regierungsrat ausschliessen, dass die gesamtgesellschaftlichen Folge- und Gesundheitsschäden aufgrund der restriktiven Pandemiemassnahmen unter dem Strich grösser und schwerwiegender sind als die direkten gesundheitlichen Folgen von Covid-19?

Daniel Albietz