Zum Originaltext von Prof. Dr. med. Pietro Vernazza
Gestern hat meine Kollegin, Baharak Babouee Flury über eine interessante These zur veränderten Übertragungsrate von SARS-CoV-2 berichtet (s. Bericht). Die Quintessenz der präsentierten Arbeiten war, dass sich das Virus in den letzten Monaten verändert hat und eine höhere Ansteckungshäufigkeit die Folge sei. Nicht ganz schlüssig ist die zitierte Arbeit bezüglich der Auswirkungen der beobachteten Mutation bezüglich dem Schweregrad der Erkrankungen.
Heute hat mich ein langjähriger Infektiologie-Kollege, Bernard Hirschel, aus Genf kontaktiert und eine interessante eigene Analyse mitgeteilt, die ich unseren Lesern nicht vorenthalten möchte.
Mögliche Ursachen
Die Beobachtung der um einen Faktor von rund 10 geringeren Mortalität während den letzten September-Wochen kann viele Ursachen haben. Eine naheliegende Erklärung könnte sein, dass wir heute mit der intensiveren Testung eine deutlich geringere Dunkelziffer haben. Doch da die Dunkelziffer auf rund das Zehnfache geschätzt wurde (Beitrag), kann dies nicht die ganze Erklärung sein, denn im Alltag sehen wir heute, dass wir längst nicht alle infizierten Personen diagnostizieren.
Weitere Gründe könnten sein:
- jüngeres Alter der infizierten Personen und damit eine geringere Mortalität. Allerdings ist die Altersstruktur in den letzten Wochen wieder ähnlich wie in der ersten Welle
- Veränderung des Virus: Diese Hypothese wurde im letzten Bericht ausführlich diskutiert.
- Bessere Behandlung: Auch dieser Faktor könnte die Mortalität verändern. Doch, gemessen an den massiv erhöhten Fallzahlen haben die Hospitalisationszahlen nicht gleichmässig zugenommen.
Wir werden nun die weitere Entwicklung beobachten müssen. Aber es ist durchaus möglich, dass das Virus sich tatsächlich in Richtung einer milderen Lungenerkrankung verändert haben könnte. Doch die immens hohen Ansteckungszahlen der letzten Wochen führen dennoch unser Gesundheitssystem an eine Grenze.