K-Tipp: Positive PCR-Massentests: Positive Befunde sind wenig aussagekräftig

Artikel aus dem K-Tipp (zum PDF)

Viele erhalten ein positives Testergebnis, obwohl sie nur eine geringe Menge an Virusmaterial im Körper haben

Der Bund kündigte letzte Woche eine Testoffensive an. Bisher setzte er auf PCR-Tests. Dabei sagen positive PCR-Resultate nichts darüber aus, ob jemand krank oder ansteckend ist.

Der PCR-Test sei «der zuverlässigste Test zum Nachweis des Covid-19-Virus in der akuten Phase der Erkrankung», sagt Franziska Suter-Riniker vom Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern. Auch die Weltgesundheitsorganisation und  das deutsche Robert-Koch-Institut loben den PCRTest in höchsten Tönen. «Aufgrund des Funktionsprinzips von PCR-Tests ist die Zuverlässigkeit bei korrekter Durchführung und Bewertung bei fast 100 Prozent», schreibt das Institut.

Doch: Zuverlässig heisst, dass ein Labor nach einem PCR-Test Virusmaterial gefunden hat. Es sagt aber nichts darüber aus, ob die getestete Person infiziert ist und ob sie ansteckend ist. Beim PCR-Test wird lediglich das Virusgenom nachgewiesen. Man muss diese Erbsubstanz im Labor vervielfältigen, bis man Viren erkennen kann. Je mehr solcher Vervielfältigungsschritte für ein positives Resultat nötig sind, desto geringer war die Menge an Virusmaterial in der Ausgangsprobe (siehe unten).

Laut dem St. Galler Professor und Infektiologen Pietro Vernazza kam eine Studie aus Südkorea zum Schluss, dass bei über 28 Vervielfältigungen praktisch nie lebende – also ansteckende – Viren gefunden werden konnten. Der Wiener Professor Andreas Sönnichsen sagt, dass ein Mensch bei über 30 solcher Vermehrungszyklen nicht mehr ansteckend ist. Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit werden in der Regel aber in der Schweiz 40 Vervielfältigungen gemacht. Das heisst: Viele Getestete erhalten ein positives Ergebnis, obwohl sie nur eine so geringe Menge an Virusmaterial im Körper haben, dass sie damit wahrscheinlich niemanden anstecken können.

Nur ein Bruchteil der Positiven ansteckend
Vernazza schreibt auf seiner Website Infekt.ch dazu: «Ein bekanntes Problem beim Einsatz von PCRTests ist die Tatsache, dass der Test auch nicht infektiöses, zum Teil bereits von Antikörpern inaktiviertes Virus immer noch lange nachweist.» Auch Sönnichsen geht davon aus, dass von 100 positiv auf Covid-19 Getesteten nur ein Bruchteil tatsächlich ansteckend ist. «Wir wissen, dass der PCRTest allein nicht aussagekräftig ist», sagt er. Seine Begründung: Der Test unterscheidet nicht, ob jemand akut krank und ansteckend ist oder einfach eine kleine Virusmenge oder sogar nur Bruchstücke von Virus-Erbmaterial in sich trägt und damit nicht ansteckend ist. Er kritisiert deshalb die Massentests. In Österreich wurden bis anhin zwölf Millionen PCR-Tests durchgeführt, in der Schweiz fast fünf Millionen.

Auch die Weltgesundheitsorganisation machte Anfang Jahr auf dieses Problem aufmerksam. Sie hielt fest, dass bei abnehmender Häufigkeit der Corona-Infektionen das Risiko falsch-positiver Testergebnisse steigt. Und zwar unabhängig von der Zuverlässigkeit der Tests. Sie schreibt, PCR sei kein diagnostischer Test, sondern nur ein diagnostisches Hilfsmittel.

Gravierende Folgen falsch-positiver Tests

Britische Wissenschafter kritisieren in einer Mitte Februar in der Medizinzeitschrift «Lancet» veröffentlichten Studie, es sei eine grosse Einschränkung für das soziale und wirtschaftliche Leben,  wenn viele positiv getestete Personen für 10 Tage isoliert würden, obwohl sie nicht oder nicht mehr  ansteckend seien. Deshalb sei der PCR-Test nicht der Gold-Standard, um das Virus in der Bevölkerung nachzuweisen.

Ungeachtet dessen ist der PCR-Test hier in der Schweiz noch immer das entscheidende  Messkriterium. Doch für Betroffene und deren Angehörige sowie für Schulen und Heime hat ein positiver Test gravierende Konsequenzen wie Quarantäne und Besuchsverbot. Und ganze Branchen sind arbeitslos. Max Fischer

So funktionieren PCR-Test und Schnelltest

Der PCR-Test basiert auf einem molekularbiologischen Verfahren, mit dem das Erbgut des Coronavirus nachgewiesen werden kann. Als Untersuchungsprobe wird in der Regel ein Nasen-Rachen-Abstrich abgenommen. Der Test zeigt nicht, ob Viren noch infektiös sind oder vom Immunsystem bereits zerstört.

Das Mass für die tatsächlich vorhandene Virusmenge ist der sogenannte CTWert. Dieser gibt die Anzahl der Vervielfältigungsschritte an, die nötig sind, bis aus dem Erbgut Viren nachgewiesen werden können. Bei mehr als 28 solcher Zyklen wurden nie lebende, also ansteckende Viren gefunden. Trotzdem wird das Testergebnis als positiv gewertet. Der PCR Test kann auch mit Speichelproben durchgeführt werden. Diese Methode ist etwas weniger empfindlich.

Immer öfter werden neuerdings praktische Corona-Schnelltests eingesetzt. Dabei werden die Erreger nicht wie beim PCR-Test anhand ihres Erbguts nachgewiesen, sondern anhand bestimmter Virus-Proteine. Das ist wesentlich einfacher.

Der Haken: Die Empfindlichkeit der Schnelltests ist kleiner als die von PCRTests. Während also bei einem PCR-Test das Risiko von falsch-positiven Resultaten gross ist, besteht beim Antigen-Test ein grösseres Risiko von falsch-negativen Ergebnissen.

Kein Verlass auf die täglich veröffentlichten Corona-Zahlen

Das Bundesamt für Gesundheit publiziert täglich die Zahlen der Corona-Tests und der wegen Covid-19 hospitalisierten und verstorbenen Personen. Die Zahlen werden von den Medien weiterverbreitet. Auch der K-Tipp publizierte online täglich die aktuellen Zahlen des Bundesamts. Nun stellt sich heraus: Die Zahlen sind teils falsch, teils irreführend.

  • Tests: Publiziert werden die Anzahl durchgeführter Tests und die Zahl der positiv Getesteten. Dies ergibt die Positivitätsquote. Beispiel: Am 4. März meldete das Bundesamt 30 076 Tests, davon 1223 mit positivem Resultat. Das ergibt eine Positivitätsquote von 4,1 Prozent. Diese soll aufzeigen, in welche Richtung sich die Situation entwickelt. Auf dieser Basis entscheidet der Bundesrat über Massnahmen. Seit kurzem ist aber die Zahl der publizierten Tests unvollständig.
    Bei Massentests etwa von Gemeinden oder Schulen berücksichtigt das Amt nur noch die Zahl der positiven Resultate. Aus diesem Grund ergibt sich eine viel zu hohe Positivitätsquote. Die Verbreitung des Virus sieht so schlimmer aus, als sie ist. Das Bundesamt bestätigt dies, die Positivitätsrate sei aber nur ein Richtwert.
  • Verstorbene: Das Bundesamt veröffentlicht täglich eine Zahl von an oder mit Corona Verstorbenen. Zahlen über die konkrete Todesursache liegen erst nächstes Jahr vor (siehe K-Tipp 1/2021). Wer die täglich publizierten Todesfallzahlen addiert, kommt im Februar auf 562 Todesfälle. In der Schweiz und Liechtenstein starben in diesem Monat aber «nur» 395 Menschen an einer Covid-19-Infektion. Diese Zahl verzeichnete die Statistik der laborbestätigten Todesfälle des Bundesamts Ende letzter Woche. Das Amt erklärt, die täglich veröffentlichten Zahlen entsprächen den Meldungen der letzten 24 Stunden. Die Todesfälle würden sich auf mehrere Tage verteilen. In der Monatsstatistik aber seien die Toten nach Todesdatum verzeichnet. Zur grossen Differenz sagte das Bundesamt in seiner Antwort an den K-Tipp nichts.

Aufgrund der unsicheren Zahlen wird der K-Tipp die vom Bundesamt täglich gemeldeten Zahlen auf seiner Website nicht mehr publizieren. (gs/maf)