Ein Artikel von coronadifferenziert.ch, Autor Thomas Boillat. Artikel als PDF.
COVID-19: Ziele und Richtwerte des Bundesrates
Gemäss Medienmitteilung vom 19.03.2021 gilt:
„Richtwerte für erneute Verschärfungen
…Dabei soll berücksichtigt werden, wie viele Menschen bereits geimpft sind. Der Bundesrat schlägt ein Modell mit drei Phasen vor. Solange noch nicht alle Personen aus Risikogruppen geimpft sind (erste Phase) sind strengere Richtwerte nötig. Im Zentrum steht eine 14-Tages-Inzidenz von 350. Weitere Richtwerte betreffen die Auslastung der Intensivplätze mit Covid-19-Patienten, die Hospitalisationen und die Reproduktionszahl. Diese Richtwerte stellen keinen Automatismus dar, sondern dienen als Grundlage für einen allfälligen Entscheid des Bundesrats. Wenn alle Personen aus Risikogruppen geimpft sind (zweite Phase), können weniger strenge Richtwerte akzeptiert werden. Die Entwicklung der Epidemie muss aber unter Kontrolle sein. Wenn alle impfwilligen Personen geimpft sind (dritte Phase), dürften gemäss heutiger Einschätzung keine Schliessungsmassnahmen und auch keine Richtwerte mehr nötig sein. Vorbehalten bleibt die Reaktion auf allfällige neue Virusvarianten.“
Konkret bedeutet dies als Richtwerte:
- Anzahl geimpfter Personen
- 14-Tages-Inzidenz von 350
- Auslastung der Intensivplätze mit Covid-19-Patienten
- Hospitalisierung
- Reproduktionszahl
- Vorbehalten neue Virusvarianten
Wir haben dafür kein Verständnis und möchten die einzelnen Richtwerte, die unserer Meinung nach fehlende Gesamtbetrachtung sowie ein Fazit aufführen:
Anzahl geimpfter Personen
Offizielle Quelle: https://www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/vacc-doses, Stand 17.03.2021:
Unsere Meinung: Es sind bereits über 1 Million (Risiko-)Personen geimpft (davon 433’411 «vollständig geimpft»). Die Möglichkeit einer Spitalüberlastung ist unserer Meinung nach deshalb sehr gering, da vor allem die Risikogruppen schwerwiegende Krankheitsverläufe aufweisen. Fazit: Für uns gibt es keine Begründung, auf weitere Impfungen zu warten, bevor bspw. die Restaurants (mit Schutzkonzept) geöffnet werden.
14-Tages-Inzidenz von 350
Offizielle Zahlen: https://www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/case?detTime=total&detSum=14d_sum, Grafik vom 22.03.2021
Als Vergleich die 7-Tages-Inzidenz von 3 ausgesuchten Daten:
- 11.2020: 1250
- 01.2021: 545
- 03.2021: 207
Unsere Meinung: Wir haben kein Verständnis, wie die Zahl von 350 zustande gekommen ist und weshalb diese relevant sein sollte. Selbst bei 1250 hatten wir KEINE Überlastung des Gesundheitssystems, auch nicht nachgelagert, siehe offizielle Grafik von https://www.covid19.admin.ch/de/hosp-capacity/icu
Fazit: die Zahl 350 ist für uns willkürlich gewählt, wir konnten nirgends eine Begründung für diese Zahl finden.
Ebenso sind wir der festen Überzeugung, dass die Fallzahlen und somit auch der 14-Tages-Inzidenz steigen wird, da:
- die sehr umfassenden (sogenannt «kostenlosen») Massentests viele weiter (teils falsch-positive und/oder nicht infektiöse) Test hervorrufen werden
- Mehrfach positiv getestete auch mehrfach erfasst werden (Doppelerfassungen)
Man fährt also eine Strategie, die den wichtigen Kennwert (Fallzahlen resp. 14-Tages-Inzidenz) in die Höhe treibt und rechtfertigt somit durch Massentests u.a. die anhaltende Schliessung der Restaurants.
Wir haben den 14-Tages-Inzidenz mit der ISP-Auslastung übereinandergelegt:
Fazit: es ist ein leichter Zusammenhang erkennbar. Aber selbst bei einer Inzidenz von über 1’000 liegt (glücklicherweise!) keine Überlastung des Gesundheitssystems vor.
Auslastung der Intensivplätze mit Covid-19-Patienten
Siehe Grafik oben. Wir hatten zu jedem Zeitpunkt über 20 % freie Betten. Die Gesamtkapazität wurde von 1500 auf (April 2020) auf 1’100 (November 2021) auf ca. 900 (Stand März 2021) heruntergefahren. Unsere Meinung: Das einzige für uns nachvollziehbare Kriterium (wir wollen alle unser Gesundheitssystem am Leben erhalten) war zu keiner Zeit am Limit. Fazit: dieses Kriterium wird seit jeher (!) erfüllt und diente zum grossen Verständnis der Bevölkerung bei der ersten Welle. Es fand zu keinem Zeitpunkt (entgegen der Aussagen der Taskforce) eine Überlastung des Gesundheitssystems vor und es musste NIE eine Triage vorgenommen werden. All diese Aussagen beziehen sich auf die schweizweite Auslastung. Kantonale Unterschiede sind unserer Meinung nach natürlich und an dem darf es nicht scheitern (ausserkantonaler Austausch).
Hospitalisierung
Siehe offizielle Zahlen von https://www.covid19.admin.ch/de/hosp-capacity/total?time=total
Begründung analog Auslastung der IPS-Betten oben. Wir hatten NIE eine Knappheit an Betten, nicht mal annährend.
Reproduktionszahl
Offizielle Zahlen von https://www.covid19.admin.ch/de/repro/val
Unsere Meinung: Da die Reproduktionszahl direkt an die Fallzahlen geknüpft ist (steigende Zahlen = steigende Reproduktionszahl) und der zweite Lockdown wegen der mutmasslich positiven Reproduktionszahl einberufen wurde und später nach unten korrigiert wurde, sagt für uns diese Zahl kaum etwas aus. Zudem war der R-Wert während über 2 Monaten unter 1 – es wurde medial kaum wahrgenommen. Steigt er über 1, werden wilde Hochrechnungen à la «wenn das so weitergeht, dann xy in xy Wochen» publiziert. Dies ist unwissenschaftlich, unseriös und einseitig. Fazit: Dieses Kriterium ist eine Doublette des 14-Tages-Inzidenz und sagt für uns nichts aus, da es zu intransparent ist und zu oft nachträglich korrigiert wird und die detaillierte Berechnung schwer (bis gar nicht) nachvollzogen werden kann.
Wir haben die Grafiken des R-Wertes mit der IPS-Auslastung übereinandergelegt:
Fazit: es ist absolut kein Zusammenhang erkennbar.
…allfällige neue Virusvarianten»
Diese machen heute bereits fast 80 % der laborbestätigten Fälle aus. Quelle: https://www.covid19.admin.ch/de/epidemiologic/virus-variants
Fast 4 von 5 Kennzahlen beruhen auf einer Mutation von COVID-19. Der ursprüngliche Virus ist also nahezu inexistent. Diese Aussage lässt somit Tür und Tor offen für jede weitere Begründung von Massnahmen und ist für uns nicht nachvollziehbar.
Nicht berücksichtigte Kriterien / fehlende Gesamtbetrachtung
Für uns unverständlich, warum folgende Kriterien nicht berücksichtigt werden:
- Anzahl Todesfälle durch / mit COVID-19. Der Bundesrat begründet absolut einschneidende Massnahmen also ohne Bezug auf die Auswirkungen auf die Todesfälle und ohne dass die Spitäler je überfüllt gewesen wären (schweizweit). In den letzten 5 Wochen lagen die Anzahl Toten pro Woche bei 300, 114, 68, 48, 44 und 59 (Zahlen gemäss Wochenberichte BAG)
- Zunahme von Depressionen, häusliche Gewalt
- Mutmassliche Schwächung des Immunsystem bspw. durch Verbot von Mannschaftssport
- Auswirkung der sozialen Isolation
- schulische Defizite
- Arbeitslosigkeit
- Armut
- Einschränkungen für beeinträchtigten Personen
- immense finanzielle Folgen für die nachfolgenden Generationen und Existenzängste
Die WHO definiert Gesundheit wiefolgt:
Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen
Die Richtwerte des Bundesrates tragen dem Begriff der Gesundheit in keinster Weise Rechnung!
Fazit
Einmal mehr scheitert es an der Kommunikation und (öffentlich begründeten) Nutzenabwägung. Die vom Bundesrat vorgegebenen Kriterien, die als Hilfestellung dienen, sind für uns nicht nachvollziehbar und total einseitig. Wir würden uns eine differenzierte Betrachtung und Insbesondere eine begründete Nutzenabwägung wünschen und können das Vorgehen des Bundesrates nicht nachvollziehen. Mit der Floskel wegen der neuen Virusvarianten hat der Bundesrat zudem Begründungen auf Vorrat geschaffen, da die neuen Virusvarianten bereits stark dominant sind.